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8. ASB-Mittagstisch

Prävention von Gewalt in der Pflege

Der 8. ASB-Mittagstisch behandelte am 10. März 2015 in Berlin ein sehr sensibles Thema: die Prävention von Gewalt in der Pflege. Sabine Hallier-Bahnsen und Matthias Lüschen vom ASB Hamburg stellten das Präventionsprogramm des ASB Hamburg vor.

Die Referenten Matthias Lüschen (2. v. l.), Sabine Hallier-Bahnsen (4. v. l.) und ASB-Hauptstadtrepräsentantin Gudrun Schattschneider (6. v. l.) zusammen mit den Teilnehmern des 8. ASB-Mittagstischs.

Foto: ASB/S. Wagner

Ausgangspunkt des Hamburger Programms war ein Impulsreferat während einer Klausurtagung von ASB-Pflegeleitungskräften. Die darauffolgende Diskussion war so intensiv, dass eine langfristige Beschäftigung mit dem Thema angezeigt war. „Zentrales Anliegen des Präventionsprogramms ist es, dafür zu sensibilisieren, was Gewalt in der Pflege alles sein kann – von zu lautem Reden mit Schwerhörigen über das Bestehen auf Nahrungsaufnahme bis hin zum Fixieren von Menschen", so Sabine Hallier-Bahnsen, Qualitätsbeauftragte beim ASB Hamburg ist. Ebenso wichtig sei die Erkenntnis, dass Gewalt in der Pflege zumeist kein Ergebnis von Boshaftigkeit, sondern ein Zeichen von Stress und Überforderung sei.

Gewaltprävention durch fünf Themenschwerpunkte

„Wir wollen allen Beteiligten – Pflegenden, Gepflegten und Angehörigen – klare Richtlinien an die Hand geben, um ihnen Sicherheit bei ihren Handlungen zu ermöglichen", stellte Matthias Lüschen, Leiter der Abteilung Soziale Dienste des ASB Hamburg, fest. „Nur dann können die Pflegenden problematisches Verhalten reflektieren und Auswege suchen." Dabei seien die Pflegenden nicht immer Täter, sie könnten auch Opfer sein oder Zeuge problematischen Verhaltens von Angehörigen. Insgesamt gelte es, eine Sensibilität für solches Verhalten zu entwickeln und klare Handlungswege aufzuzeigen. Dazu wurden folgende Themenschwerpunkte identifiziert:

  1. Leitbild und Wertearbeit: Der ASB Hamburg als Arbeitgeber in der Pflege positioniert sich mit Blick auf den Umgang mit Gewalt klar und deutlich. Er achtet das Selbstbestimmungsrecht seiner Kunden, unterstützt die eigenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei der Selbstreflexion und bietet Gesprächsmöglichkeiten an. Der ASB Hamburg pflegt eine Arbeitskultur, in der eigene Fehler und die anderer benannt werden können, um sie zu reflektieren und abzustellen. Strafrechtlich relevantes Verhalten wird jedoch angezeigt.
  2. Kollegiale Beratung und Fallbesprechung: Ergänzt wird die offene Fehlerkultur durch kollegiale Fallbesprechungen, sowohl im Mitarbeiter- als auch im Leitungskreis. Zudem hat der ASB Hamburg zwei Vertrauenspersonen benannt, mit denen (auch anonym) Fragen zu eigenem oder beobachtetem Verhalten geklärt werden können.
  3. Verlässliche Dienste und Einsatzplanung: Gewalt kann auch strukturelle Ursachen haben. Denn Stress und Überbelastung kann bei Pflegekräften auch durch häufige Unsicherheit über das Dienstende und die fehlende Planbarkeit des Privatlebens entstehen. Das neue Lösungsmodell sieht nun vor, dass bei Dienstausfall eines Kollegen die zu pflegenden Kunden nicht auf die anderen Pflegekräfte verteilt würden, sondern Kollegen, die ansonsten mit deren Kundenstamm vertraut sind, den Pflegetag komplett übernehmen.
  4. Kompetenzerweiterung: Die gezielte Kompetenzerweiterung beginnt mit der Einarbeitung neuer Mitarbeiter. Zu Beginn der Tätigkeit erhält jede Pflegekraft eine Einweisung in die Leitlinien für eine gewaltfreie Pflege und in die gewaltpräventive Haltung der ASB-Pflegeeinrichtungen. Ergänzend werden regelmäßige Fortbildungen zum Thema angeboten.
  5. Handlungssicherheit: Um den Kollegen den Umgang mit stressbehaften Situationen zu erleichtern, werden ihnen Leitlinien mit Interpretations- und Verhaltensmöglichkeiten an die Hand gegeben. Dabei ist irrelevant, ob sie eigenes problematisches Verhalten reflektieren müssen oder ob sie selbst physische oder psychische Gewalt durch die Kunden bzw. deren Angehörigen erfahren.

Interessierte Nachfragen

Der Vortrag wurde von vielen Nachfragen begleitet. So interessierte sich einer der Anwesenden dafür, ob es einen Unterschied gebe, je nachdem, ob eine Person ambulant oder stationär betreut werde. Matthias Lüschen stellte fest, dass problematisches Verhalten in einer stationären Umgebung schneller auffallen würde.

Eine andere Frage bezog sich darauf, ob schon bei der Einstellung des Pflegepersonals auf eine Sensibilität für Gewalt geachtet werden könne. Dies sei kein expliziter Teil von Bewerbungsgesprächen. Allerdings werde bei der Einarbeitung großer Wert auf die Sensibilisierung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gelegt.

Auch zu den Möglichkeiten im Umgang mit problematischem Verhalten von Angehörigen gegenüber den Gepflegten wurde nachgefragt: Je nach Vorfall würden Pflegende die Betroffenen vorsichtig auf Überforderungssituationen ansprechen, Vertreter von Pflegestützpunkten hinzuziehen und wenn nötig die Polizei oder ein Gericht einschalten. Das sei aber zum Glück nur selten der Fall.

Der nächste ASB-Mittagstisch am 8. Juli 2015 behandelt das Thema „Erste Hilfe".

Susanne Wagner