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EuGH-Urteil

Der Arbeiter-Samariter-Bund begrüßt das Urteil des EuGH zur Reichweite der Bereichsausnahme bei der Frage der Vergabe von Rettungsdienstleistungen

Mit seinem heutigen Urteil hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) entschieden, dass die klassischen Regelungen über die öffentliche Auftragsvergabe nicht für öffentliche Aufträge gelten, die den Katastrophenschutz, den Zivilschutz oder die Gefahrenabwehr betreffen. Wir begrüßen diese Entscheidung, denn Rettungsdienstleistungen dürfen nicht kommerzialisiert werden und müssen von anerkannten, gemeinnützigen Hilfsorganisationen wie dem ASB durchgeführt werden

Zu dem Verfahren vor dem EuGH kam es, da die Stadt Solingen lediglich den Arbeiter-Samariter-Bund, das Deutsche Rote Kreuz, die Johanniter-Unfall-Hilfe und den Malteser Hilfsdienst zur Abgabe von Angeboten über kommunale Rettungsdienstleistungen aufgefordert hatte. Den Zuschlag erhielt sodann der lokale Arbeiter-Samariter-Bund. Gegen diese privilegierte Behandlung gemeinnütziger und im Bereich des Katastrophenschutzes tätigen Hilfsorganisationen bei der Vergabe der kommunalen Rettungsdienstleistungen wandte sich die Falck Rettungsdienste GmbH. Sie argumentierte, dass zwei Richtlinien der Europäischen Union, und zwar die Richtlinie 2014/23/EU (Konzession) und die Richtlinie 2014/24/EU (Submission), angewandt werden müssten. So sei u.a. streitentscheidend, ob Art. 10 Buchstabe h der Richtlinie 2014/24/EU richtig in nationales Recht umgesetzt worden sei. Diese Norm bestimmt, dass die Richtlinie 2014/24/EU nicht für öffentliche Dienstleistungsaufträge gilt, die Dienstleistungen des Katastrophenschutzes, des Zivilschutzes und der Gefahrenabwehr, die von gemeinnützigen Körperschaften oder Vereinigungen erbracht werden und die unter bestimmte Nummern des sog. Common Procurement Vocabulary (CPV), also dem einheitlichen Klassifizierungssystem in Europa über das öffentliche Beschaffungswesen, fallen, mit Ausnahme des Einsatzes von Krankenwagen zur Patientenbeförderung zum Gegenstand haben.

Der deutsche Gesetzgeber hat Art. 10 Buchstabe h der Richtlinie 2014/24/EU in § 107 Abs. 1 Nr. 4 GWB in nationales Recht wortwörtlich übernommen, wobei er einen Zusatz vorgenommen hat. Dieser Zusatz betrifft den Begriff der gemeinnützigen Körperschaft, der in Art. 10 Buchstabe h der Richtlinie 2014/24/EU begegnet. Danach sind gemeinnützige Organisationen oder Vereinigungen im Sinne des § 107 Abs. 1 Nr. 4 GWB insbesondere Hilfsorganisationen, die nach Bundes- oder Landesrecht als Zivil- und Katastrophenschutzorganisationen anerkannt sind.

Zu klären waren also vom EuGH zwei Fragen:

1. Ist der Rettungsdienst mit Notfallrettung und Krankentransport unter den Begriff der Gefahrenabwehr (Dienstleistungen des Katastrophenschutzes, des Zivilschutzes und der Gefahrenabwehr) zu subsumieren? Liegt also eine Leistung im objektiven Sinne vor.

2. Sind Hilfsorganisationen per se gemeinnützige Organisationen? Liegen also die subjektiven Eigenschaften des Leistungserbringers vor.

Der EuGH ist mit seinem Urteil den Schlussanträgen des Generalanwalts Campos Sánchez-Bordona vom 14.11.2018 gefolgt.

Danach gilt Folgendes:

1. Der Transport von Notfallpatienten in einem Rettungswagen bei Betreuung und Versorgung durch einen Rettungsassistenten/Rettungssanitäter ist als „Einsatz von Krankenwagen im Sinne des CPV-Codes 85143000-3“ anzusehen, so dass die öffentliche Auftragsvergabe nicht den Verfahren der Richtlinie 2014/24/EU unterliegt, sofern die Leistung von einer gemeinnützigen Organisation oder Vereinigung erbracht wird. Wenn der Transport eines Patienten hingegen keinen Notfall darstellt und in einem Krankentransportwagen durch einen Rettungssanitäter/Rettungshelfer erfolgt, ist er als „Transport eines Patienten in einem Krankenwagen“ zu qualifizieren, der nicht unter die für den „Einsatz von Krankenwagen“ im Allgemeinen geltende Ausnahme fällt.

2. „Gemeinnützige Organisationen oder Vereinigungen“ sind Organisationen oder Vereinigungen, die nicht auf Gewinnerzielung ausgerichtet sind und etwaige umständehalber erzielte Gewinne der Erfüllung ihrer sozialen Aufgabe widmen. Zur Erfüllung dieser Voraussetzung reicht es nicht aus, dass sie im innerstaatlichen Recht als Hilfsorganisation anerkannt sind. Dies bedeutet, dass das innerstaatliche Recht in seiner jetzigen Fassung nicht davon ausgeht, dass nur gemeinnützige Organisationen und Vereinigungen als Hilfsorganisationen im Bereich des Katastrophenschutzes anerkannt werden können. Hilfsorganisationen sind also nicht zwingend gemeinnützig. Sie sind es nach Auffassung des Generalanwalts nur dann, wenn die Organisationen und Vereinigungen nicht auf Gewinn ausgerichtet sind und mögliche Gewinne in ihre soziale Aufgabe investieren.

Der Arbeiter-Samariter-Bund Deutschland e.V. (ASB) begrüßt das Urteil des Europäischen Gerichtshofs zur Vergabe von Rettungsdienstleistungen und sieht die gesetzlich anerkannten Hilfsorganisationen, die durchweg nach deutschem Recht gemeinnützig sind, durch die Sicherstellung der Bereichsausnahme gestärkt. Das Judikat bedeutet, dass das europäische Primärrecht mit Blick auf das Vergaberecht bei Rettungsdienstleistungen unter den beschriebenen Voraussetzungen keine Anwendung findet. Dies bringt auch Rechtssicherheit für die Kommunen.

Vor dem Hintergrund dieses Urteils fordert der ASB daher umgehende gesetzliche Regelungen zur Umsetzung der Bereichsausnahme in allen deutschen Bundesländern unter Einbeziehung der anerkannten Hilfsorganisationen um damit endlich anzuerkennen, dass die Hilfsorganisationen neben dem Rettungsdienst eine wichtige und elementare Aufgabe in der nicht-polizeilichen Gefahrenabwehr übernehmen. Die Rettung von Menschenleben darf nicht kommerzialisiert werden und ist keine Leistung, die in den klassischen gewinnorientierten Dienstleistungssektor fällt.

Die Aufwuchsfähigkeit der deutschen Gefahrenabwehr ist nur durch die enge Verzahnung von Rettungsdienst und Katastrophenschutz sichergestellt und wird durch das Urteil des EuGH bestätigt.  

Das OLG Düsseldorf wird sich nach dieser eindeutigen Klärung der aufgeworfenen Fragen durch den EuGH im Solinger Vergabeverfahren der Auffassung des EuGH mit großer Wahrscheinlichkeit anschließen, so dass die Vergabepraxis der Stadt Solingen bestätigt wird.

Die vollumfängliche Umsetzung der Bereichsausnahme wäre zudem eine weitreichende Anerkennung der Leistungen der Hilfsorganisationen und der dahinterstehenden zehntausenden von Ehrenamtlichen, die in den Katastrophenschutzeinheiten und den Schnelleinsatzgruppen für das Gemeinwohl aktiv sind.