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Arbeiter-Samariter-Bund
Kriseninterventionsdienst

Psychosoziale Notfallversorgung

15 bis 20 Prozent aller Todesfälle geschehen unerwartet. Ein Herzinfarkt, ein Verkehrsunfall oder Suizid: Dies können die Ursachen für den plötzlichen Tod eines Menschen sein. Angehörige, Freunde und Zeugen trifft der Tod meist unerwartet. Die Hinterbliebenen bleiben oft allein und hilflos zurück. Hier helfen die Mitarbeiter der Kriseninterventionsteams des ASB (KIT).

Die speziell geschulten Einsatzkräfte des Rettungsdienstes werden zeitnah durch die Leitstelle alarmiert und sollen frühzeitig intervenieren. Die KIT-Mitarbeitenden geben und schaffen eine Atmosphäre bzw. einen Raum für die Betroffenen zum Trauern, ermöglichen – falls notwendig – die Wiedergewinnung der Handlungsfähigkeit und übergeben am Ende der Intervention die betreute Person in deren soziales Netz. All diese unmittelbaren und kurzfristigen Maßnahmen nach dem traumatischen Erlebnis sollen der Entstehung einer Posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) vorbeugen.

Bundesweite einheitliche Ausbildung in der psychosozialen Akuthilfe

Die Ausbildung ist durch die "Mindeststandards in der Psychosozialen Akuthilfe (PSAH)" vom 10.Oktober 2021 bundeseinheitlich geregelt. Die Regelungen umfassen sowohl die Voraussetzungen zur Mitwirkung, die Qualitätssicherung, als auch das Ausbildungscurriculum.

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Über das KIT-München

Bewegende KIT Einsätze:

Ehrenamt in der Psychosozialen Notfallversorgung

Interview:

Die Gründung eines wegweisenden Pilotprojekts

KIT-München-Gründer Dr. Andreas Müller-Cyran über die Anfänge der Krisenintervention beim ASB, über Lücken im System und den schwierigen Umgang mit dem plötzlichen Tod.

Als Initiationsereignis für die Gründung des KIT gilt der tödliche Trambahn-Unfall eines Kindes. Welchen Stellenwert hatte dieser Einsatz tatsächlich für den Aufbau der Krisenintervention?

Andreas Müller-Cyran: Es gab diesen Einsatz, aber er steht stellvertretend für die immer wiederkehrende Erfahrung vieler Rettungskräfte, dass in einer Versorgung, in der kein Platz für die Verfassung der Angehörigen ist, etwas fehlt. Meine Chance war, dass ich aufgrund meines beruflichen Umfelds und meiner Ausbildung die Möglichkeit hatte, Lösungsansätze dafür in eine Struktur und ein System zu überführen.

Wie ist man ohne KIT mit Situationen umgegangen, in denen Angehörige oder Zeugen offensichtlich Probleme mit dem Erlebten hatten?

Müller-Cyran: Man muss es so offen sagen: nach Gutdünken. Die Kollegen haben es trotzdem versucht, aber es war im Einsatzrahmen eigentlich nicht vorgesehen. Darüber hinaus wussten wir einfach wenig. Um in einer solchen Situation die richtige Ansprache zu finden, braucht man relativ differenziertes psychotraumatologisches Grundwissen. Das hatten wir alle nicht, und das stellte auch niemand zur Verfügung.

Das heißt, dass man Menschen damit im Grunde allein lassen musste?

Müller-Cyran: In letzter Konsequenz ja. Wir mussten uns als Rettungskräfte für den nächsten Einsatz bereithalten. Aber die Situation war sehr unbefriedigend, weil wir gemerkt haben, dass wir die Menschen mit Eindrücken allein lassen, an die sie ein Leben lang denken werden. Ich erinnere mich an Zeiten, zu denen wir beklommen in der Wohnung standen und irgendwann den Piepser aus und wieder eingeschaltet haben, weil der dann ein Geräusch macht, sodass man sich unter diesem Vorwand aus der Situation befreien konnte. Aber glücklich war damit niemand.

Woran liegt es, dass die psychische Gesundheit unmittelbar Beteiligter oder Betroffener so lange kaum eine Rolle spielte? Hat das damit zu tun, welchen Stellenwert psychische Unversehrtheit in der Wahrnehmung hat und hatte?

Müller-Cyran: Durchaus. Die Zeit, in die die Gründung des KIT fällt, war eine Zeit, in der Psychotraumatologie in Deutschland bestenfalls in den Kinderschuhen steckte - auch akademisch. Es gab ganz wenig Forschung - dafür aber viele Widerstände in Bezug auf das Thema.

Welche Idee lag der Gründung des KIT konkret zugrunde?

Müller-Cyran: Wir haben in unserer Gesellschaft in den letzten 30 Jahren sehr gute Strukturen aufgebaut, wenn es um den langsamen Tod geht: Es gibt Palliativmedizin, Hospizvereine. Das ist gut so. Im Rettungsdienst haben wir es aber mit einem plötzlichen Tod zu tun. Der wird gerne verdrängt, ist gesellschaftlich aber relevant, weil bis zu 25 Prozent der Menschen plötzlich oder unerwartet sterben. Damit wird sich dafür, dass es tägliche Realität ist, sehr wenig beschäftigt. Dem müssen wir uns in unserer Gesellschaft stellen.

Wo setzt die Krisenintervention genau an?

Müller-Cyran: Dort, wo sich die Situation selbst unserer Beeinflussung entzieht. Wir sind als Rettungskräfte im Kampf gegen den plötzlichen Tod oft hilflos und ohnmächtig. Wenn wir bei einem Einsatz mit einem Toten konfrontiert werden, verdeutlicht das, dass wir die fundamentale Hilfe - nämlich den Toten wieder lebendig zu machen - nicht leisten können. Es ist deshalb unsere Aufgabe, mit den Trauernden einen Weg zu finden, mit dem, was sie erlebt und erlitten haben, leben zu können. Außerdem kommt uns eine Brückenfunktion bei der Vermittlung in die psychosoziale Regelversorgung zu. Wir setzen zugleich aber auch einen ersten Impuls.

Rettungsdienst & Katastrophenschutz im ASB im Überblick: