Der ASB Witten erhält den Shimon-Peres-Preis 2025
Als Kirsten Schäfer am frühen Morgen des 6. Dezember in den Flieger nach Tel Aviv steigt, weiß sie, dass die kommenden Tage etwas Besonderes werden – aber wie besonders, das war ihr nicht klar. Zwei Tage später, am Abend des 7. Dezember, steht sie auf der Bühne des Peres Center for Peace & Innovation in Tel Aviv-Jaffa. Vor ihr: Vertreter:innen aus Politik, Kultur und Zivilgesellschaft, Angehörige von Opfern des 7. Oktober, Aktivist:innen, Partnerorganisationen und die Jury. Hinter ihr: ein ASB-Projekt aus Witten, das Grenzen überwunden hat – und nun auf einer internationalen Bühne ausgezeichnet wird.
Der ASB-Kreisverband Witten ist einer der Preisträger des Shimon-Peres-Preises 2025, der in diesem Jahr zum ersten Mal in Israel verliehen wurde. Die Auszeichnung würdigt Projekte, die Dialog, Austausch und Solidarität zwischen Deutschland und Israel stärken. Dass der Preis ausgerechnet 2025, im Jahr des 60. Jubiläums der diplomatischen Beziehungen, in Tel Aviv vergeben wird, verleiht ihm zusätzliche Bedeutung.
Schon am Vortag nimmt Schäfer die besondere Stimmung im Land wahr. „Tel Aviv war viel ruhiger, als ich es erwartet hatte. Gleichzeitig gibt es überall Gedenkorte für die Opfer des 7. Oktobers. Das hat mich sehr bewegt“, sagt sie. Am 7. Oktober 2023 hat die Terrororganisation Hamas Israel angegriffen. Die Präsenz der jüngsten Geschichte begleitet die Besucher aus Witten auf ihrem Weg zur Preisverleihung.

Bei der Preisverleihung im Peres-Center in Tel Aviv: Kerstin Griese, MDB, Kirsten Schäfer, ASB-Geschäftsführerin KV Witten, Bundesministerin a. D. Brigitte Zypries (v.l., . Reihe), Hintere Reihe: Eyal Kravitz und Daniel Shermon, Projektteilnehmer aus Israel, Robin Scheffel, Projekteilnehmer aus Witten, Benjamin Schuldt, ASB-Bundesvorstand, Marco Cascon, Daniel Niewrzol, Teilnehmer aus Witten, Keren Mifano, Amitay Lev, israelische Teilnehmer (v.l.)
Foto: ASB WittenEin Abend, der verbindet
Am 7. Dezember, kurz vor der Verleihung, sind alle Preisträger:innen und Gäste zu einem gemeinsamen Essen eingeladen, darunter auch der deutsche Botschafter Steffen Seibert. Schäfer erinnert sich: „Der Botschafter war sehr an unserem Projekt interessiert, war sehr freundlich und wertschätzend.“ Es ist ein weiterer Moment, in dem der Einsatz aus Witten sichtbare Anerkennung erfährt.
Um 19 Uhr beginnt der offizielle Teil der Verleihung. Moderiert wird zweisprachig, auf Deutsch und Hebräisch – ein symbolisches Zeichen für Verständigung und Verbundenheit. Die musikalische Begleitung übernimmt das Tamari Project, das an die am 7. Oktober ermordete Musikerin Tamar Kedem Siman Tov erinnert. Ihre Schüler:innen führen ihre musikalische Arbeit fort und setzen damit einen emotionalen Akzent des Abends.
Die Rednerinnen des Abends – darunter Prof. Tsvia Walden, Tochter von Shimon Peres, Elke Büdenbender und Brigitte Zypries – würdigen die Preisträger:innen und betonen, wie wichtig Dialog und menschliche Begegnungen in dieser Zeit sind. Walden spricht von einem „bedeutsamen Moment der israelisch-deutschen Beziehungen“ und einem „Beispiel für die Möglichkeit der Versöhnung und kreativen Zusammenarbeit“.

Bei der Preisverleihung gab es auch eine Podiumsdiskussion, mit dabei Elke Büdenbender, Ehefrau des Bundespräsidenten (in blau), und der deutsche Botschafter in Israel: Steffen Seibert (2.v.r.)
Foto: DIZF / Eyal Granit„Unser Projekt wurde als erstes ausgezeichnet“
Dann kommt der Moment, auf den alle gewartet haben. „Unser Projekt wurde als erstes ausgezeichnet“, erzählt Schäfer. Der ASB Witten wird für das Projekt „Austausch und Auszeit für israelische Notfallversorger:innen“ geehrt, das im Rahmen der NRW-Hilfsinitiative Shalom Chaveruth gefördert wird. Es richtet sich an israelische PSNV-Fachkräfte, die nach den Ereignissen des 7. Oktober unter enormer Belastung standen und stehen.
Den Moment als Kirsten Schäfer den Preis entgegennimmt, erinnert sie so: „Ich durfte den Preis persönlich entgegennehmen. Als Tsvia Walden mich umarmte und sich für unsere Arbeit bedankte, war das für mich sehr berührend.“ Ein Dank, der weit über Höflichkeit hinausgeht – ein Dank für einen Raum, den der ASB Witten geschaffen hat, als er dringend gebraucht wurde.
Die Idee hinter dem Projekt
Für Schäfer ist psychosoziale Notfallversorgung weit mehr als ein Aufgabenfeld. „Die psychosoziale Notfallversorgung ist für mich ein Herzensprojekt“, sagt sie. Als das Land NRW 2024 Organisationen suchte, die sich in Solidaritätspartnerschaften engagieren wollen, wollte sie ursprünglich ein digitales Angebot machen. Doch je mehr sie über die Lage in Israel erfuhr, desto klarer wurde ihr: Es braucht Begegnung, Echtzeit und Nähe.
„Als ich erfahren habe, wie stark israelische Betreuer selbst belastet waren, entstand die Idee, ihnen in Witten eine Auszeit zu ermöglichen.“ Sie nimmt Kontakt zu Hilfsorganisationen auf – und das Projekt wird immer konkreter.
Im Januar 2025 kommen schließlich neun israelische Fachkräfte nach Witten. Die Woche ist gleichzeitig dicht und wohltuend: gemeinsames Yoga am Morgen, fachlicher Austausch, Ausfluge zur jüdischen Gemeinde in Dortmund und ein Empfang in der Staatskanzlei in Düsseldorf, Gespräche und Reflexion. „Die Zeit war kurz, aber sehr intensiv und fruchtbar – wir sind seitdem im regelmäßigen Onlineaustausch.“
Ein Projekt mit Zukunft
Seit dem ersten Besuch hat sich das Projekt weiterentwickelt. „Dass beim nächsten Besuch eine doppelt so große Gruppe kommt, ist für uns eine große Anerkennung“, sagt Schäfer. Am 18. Januar 2026 werden dieses Mal 17 israelische Fachkräfte nach Witten kommen – Therapeut*innen, Freiwillige, Fachleute der Organisation Mashiv HaRuach, „Hilfe für die Helfer“.
Und für das Preisgeld gibt es keinen langen Entscheidungsprozess. „Wir investieren es vollständig in die Weiterführung des Projekts“, sagt Schäfer, als sie auf der Bühne danach gefragt wird. Es ist ein Versprechen – und eine Haltung.
Ein Abend, der bleibt
Der Shimon-Peres-Preis wird an diesem Abend noch an ein weiteres bemerkenswertes Projekt verliehen – an ein Kunst- und Theaterprojekt zur Inklusion. Besonders gewürdigt wurden außerdem zwei Dialogformate: Die Gesprächsreihe „Voices from Gaza and Israel“ und „Zikaron BaSalon Germany“, in dem Shoah-Überlebende der ersten und zweiten Generation ihre Geschichte teilen. Für Schäfer ist dieser Abend ein ganz persönlicher Höhepunkt. „Dieser Preis ist für mich ein einmaliger Moment der Wertschätzung. Er zeigt, wie wichtig und richtig unsere Arbeit ist – und dass sie wirklich etwas bewirkt.“
Als sie am nächsten Tag in den Flieger nach Deutschland steigt, ist klar: Die Arbeit geht weiter und die Begegnungen werden fortgeführt. Die Brücke zwischen dem KV Witten und Israel bleibt.
Infokasten zum Shimon-Peres-Preis:
Jahrzehnte lang setzte sich der ehemalige israelische Staatspräsident und Friedensnobelpreisträger Shimon Peres (1923-2016) für die Stärkung der deutsch-israelischen Beziehungen ein. Das Auswärtige Amt hat einen Preis im Andenken an Shimon Peres und sein Wirken gestiftet und vergibt in Kooperation mit der Stiftung Deutsch-Israelisches Zukunftsforum jährlich diesen mit zwei Mal 10.000 Euro dotierten Preis. Die Auszeichnung im Andenken an Shimon Peres und in Verantwortung für die besondere Freundschaft zwischen unseren Ländern wird an junge deutsche und israelische Fach- und Führungskräfte vergeben, die sich um die Ausgestaltung der deutsch-israelischen Beziehungen besonders verdient gemacht haben. Der Jury gehören an: Daniel Donskoy, Schauspieler und Musiker, Kerstin Griese, MDB, Tamar Hay-Sagiv, Peres Center for Peace & Innovation, Bundesministerin a. D. Brigitte Zypries, Kuratoriumsvorsitzende Stiftung Deutsch-Israelisches Zukunftsforum, Pola Sarah Nathusius, Distributions- und Social Media Strategin bei der ARD, Igor Levit, Pianist, und Moderatorin Andrea Kiewel.
